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  • Burgl Czeitschner Filmproduktion
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Der Fall Rosa Weinberger

In Aspern zeigte die Stadt Wien im Gedenkjahr 1988 Flagge: Bürgermeister Helmut Zilk ließ im Jahr zuvor 65.000 Bäume pflanzen – als Erinnerung an die 65.000 Wiener Opfer des Holocaust.

Eine wunderschöne Geste – allerdings mit einigen Schönheitsfehlern. Vielleicht wollen die Bäume dort ja deshalb nicht richtig wachsen? Denn der Herr Bürgermeister setzte dieses Denkmal auf einem Grund, der NICHT der Stadt Wien gehörte.

Rechtsanwalt David Dagobert Rybaczewski und seine Frau Bertha genossen bis 1938 ein Leben ohne finanzielle Sorgen. Neben einigen Häusern besaßen sie auch Baugrund rund um das Flugfeld Aspern.

Ab Mitte ’38 wurde das Ehepaar gezwungen, seinen gesamten Besitz weit unter Wert zu verkaufen. Die Flucht über Shanghai nach Australien gelang nur den beiden Töchtern Rosa und Friederike. David Rybaczewksi starb in Theresienstadt, seine Frau Bertha überlebte den Holocaust.

Sie forderte ihre Liegenschaften zurück, scheiterte aber an den Rückstellungsgesetzen. „Arisiertes“ Privateigentum  blieb in Österreich viel zu oft den „Ariseuren“, da es ja mithilfe der NS-Gesetze als „redlich“ erworben galt. Bertha Rybaczewski zog zu ihren Töchtern nach Sydney.

Der einstige Familienbesitz in Aspern wurde von der Stadt Wien zum Biotop gemacht und steht als Erholungsgebiet Himmelteich unter Naturschutz.

Die fast 100jährige Rosa Weinberger stellte 2002 einen Antrag auf Rückgabe. Drei Jahre später sprach die Schiedsinstanz GEGEN die Interessen der Stadt Wien.

 

EMPFOHLEN!*
https://www.entschaedigungsfonds.org/detailansicht/6802044.html

Der Restitutionsbeauftragte der Stadt Wien wollte sich für diesen Film NICHT befragen lassen. Rosa Weinberger bekam von ihm sehr wohl eine Auskunft: Sie könne das Grundstück gerne haben, müsse dann aber für die Pflege des Naturschutzgebietes selbst aufkommen. Rosa Weinberger lehnte ab. Sie verlangte ein Ersatzgrundstück und bat von Sydney aus eine frühere Mitarbeiterin des Nationalfonds um Unterstützung.

Rosa Weinberger wurde 101, ihr Sohn starb nur ein Jahr nach ihr. Seine Erbinnen wurden mit etwas Geld entschädigt - die Stadt Wien konnte „ihren“ Himmelteich samt Gedenkwald behalten.

Buchtipp: "Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen"

Robert G. Knight: "Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen". Die Wortprotokolle der österreichischen Bundesregierung von 1945 bis 1952 über die Entschädigung der Juden.- Böhlau-Verlag, Wien 2000, 256 S.

Diese kritische Sammlung der Wortprotokolle der österreichischen Bundesregierung von 1945 bis 1952 über die Entschädigung der Juden – herausgegeben vom britischen Historiker (mit österreichischen Wurzeln) Robert Knight – erschien 1988 im Athenäum Verlag Frankfurt am Main.

Dank einer Neuauflage durch den Böhlau Verlag ist es wieder im Buchhandel erhältlich:
http://www.boehlau-verlag.com/978-3-205-99147-2.html

Wer das Original haben möchte, wird zum Beispiel beim Zentralen Archiv Antiquarischer Bücher (ZVAB) fündig:
http://www.zvab.com

Klappentext:
Endlich eine Neuauflage des lange vergriffenen Standardwerks!

Traurig, aber wahr: Die "Väter" der Zweiten Republik waren so gut wie nicht daran interessiert, die in der NS-Zeit geschädigten Juden zu unterstützen. Vielmehr wollten sie Entschädigungsfragen bewusst "in die Länge ziehen". Der britische Historiker Robert Knight, zur Zeit Experte in der österreichischen Historikerkommission, hat in den 80er Jahren brisante Ministerratsprotokolle der Nachkriegszeit vorgelegt. Nun erscheint endlich eine (überarbeitete) Neuauflage des vergriffenen Standardwerks zur Entschädigung der Juden: Im Buch werden bedeutende Ministerratsprotokolle und Dokumente aus den Jahren 1945 bis 1952 zu den Themen Rückstellung von "arisiertem" Vermögen an Juden und "Displaced Persons" vollständig abgedruckt. Sie zeigen deutlicher als je zuvor die Einstellungen der "Väter" der Zweiten Republik zu jüdischen Fragen, und geben indirekt Aufschluß über die Anschauungen der österreichischen Bevölkerung. In der ausführlichen Einleitung diskutiert Robert Knight Machtfragen und Interessen bei der Restitution von jüdischem Eigentum am Beginn der Zweiten Republik, Österreichs von der Moskauer Deklaration abgeleitete "Opferrolle". Die überarbeitete Neuauflage enthält ein aktuelles Vorwort und erstmals ein Register.

Das Grundstück mit dem "Garbage"

http://derstandard.at/3081351/Das-Grundstueck-mit-dem-Garbage

Restitution in Wien: Die 101­jährige Rosa Weinberger erhält bloß ein Drittel des einst arisierten Baugrundes zurück ­ Und dieses ist heute ein recht wertloses Naturschutzgebiet


Von THOMAS TRENKLER

Wien – Im Norden von Wien, gleich neben dem Flugfeld Aspern, liegt ein idyllischer Wald mit zwei Seen, die man die Himmelteiche nennt. Rosa Weinberger hätte nur zu unterschreiben brauchen: Und schon hätte die Liegenschaft ihr gehört. Ohne dass ihr, wie die Stadt Wien im November 2006 versprach, "Kosten oder Gebühren entstehen" würden.

Rosa Weinberger saß lange über der Vereinbarung, in der es heißt: "Die Stadt Wien überträgt hiermit" diverse Grundstücke, zusammen 5614 Quadratmeter, "wie diese liegen und stehen, mit sämtlichem darauf befindlichem Bewuchs und mit allen Rechten und Pflichten" ... Doch sie unterschrieb nicht. Denn irgendwie hatte sie das Gefühl, über den Tisch gezogen zu werden.

Rosa Weinberger lebt in Australien. Am 24. Juni dieses Jahres feierte sie, 1906 in Wien geboren und 1939 über Neapel, Nizza und Marseille nach Shanghai geflohen, ihren 101. Geburtstag. Ihre Schrift ist schon zittrig, ihr Gesundheitszustand miserabel, aber sie weiß ganz genau, was sie tut. Oder besser: nicht tut. Und sie lag intuitiv völlig richtig.

Im Sommer 2002 beantragte sie bei der Schiedsinstanz des Allgemeinen Entschädigungsfonds die Naturalrestitution von rund 15.000 Quadratmetern "Baugrund" in "Obere Lehen, Aspern", die ihr Vater 1936 erworben hatte. Was sie aber jetzt zurückbekommen soll, ist nur ungefähr ein Drittel der Fläche. Das versteht die betagte Dame nicht. Und es ist auch nur schwer zu verstehen.

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Rosa Weinberger um Rückstellung ersucht. Erst 16 Jahre später, 1963, wurde das Ansuchen mit einer ziemlich skurrilen Begründung durch den Verwaltungsgerichtshof in letzter Instanz abgewiesen. Obwohl bekannt war, dass die Liegenschaften neben dem Flugfeld arisiert worden waren, verkaufte die Stadt Wien im März 1981 mehr als 9000 Quadratmeter an Gerda und Max Hauser. Diese Flächen können daher nicht restituiert werden.

Fatale Scheinidylle

Doch was noch viel schwerer wiegt: Die Stadt erklärte sich nun zwar bereit, den Rest zurückzugeben, aber sie verschwieg Rosa Weinberger die Beschaffenheit des Grundstücks. Denn dort, wo heute die künstlich angelegten Himmelteiche liegen, befand sich bis 1970 eine Deponie mit 150.000 Kubikmeter Bauschutt und Hausmüll, die sich nach dem Weltkrieg auf Grund von Schotterabbau in einer Mulde gebildet hatte. Da das Grundwasser gefährdet war, wurde die Deponie bis zum Sommer 1992 geräumt. Und statt ihrer legte man eine Scheinidylle an: Rund um die Schotterteiche wurde über Jahre ein Wäldchen gepflanzt.

Und man pflanzte noch weiter, obwohl die Rückgabe bereits empfohlen worden war. Denn der Spruch der Schiedsinstanz lag im September 2005 vor. Und am 10. Oktober lud Bürgermeister Michael Häupl laut Rathauskorrespondenz "herzlich ein", am 15. Oktober bei der Aufforstungsaktion "Der Wald der jungen WienerInnen" teilzunehmen: 15.000 Bäumchen und Sträucher würden darauf warten, "Teil des neuen Waldes am Himmelteich und somit auch des Wiener Grüngürtels zu werden". Zupacken sei daher angesagt: "Gummistiefel an, Spaten raus und los geht’s!"

Was also Rosa Weinberger zurückerhalten soll, war Baugrund (angesichts des Stadterweiterungsgebiets Aspern ein ziemlich wertvoller) – und ist jetzt mehr oder weniger wertlos. Denn das Grundstück steht unter Naturschutz.

Negative Folgen

Die Restitution hätte für die alte Dame ziemlich negative Folgen: Sie müsste auf ihre Kosten den Wald pflegen lassen (laut Forstamt ist mit 850 Euro pro Jahr zu rechnen). Und da das Gebiet öffentlich zugänglich ist, müsste sie eine Versicherung abschließen. Und schließlich: Wer weiß schon, wie kontaminiert der Boden noch immer ist?

Die Stadt hat aber kein Einsehen. Kurt Scholz, der Restitutionsbeauftragte, verweist auf den Notar Harald Wimmer, der für die Stadt die Vereinbarung mit Rosa Weinberger abschließen soll. Wimmer sagt: "Ich verstehe, dass sie nicht erfreut ist. Ein Teil der Fläche steht unter Wasser. Dort war eine illegale Deponie. Seit sieben Jahren ist es Naturschutzgebiet. Mir ist sehr wohl die Problematik bewusst, aber das ist nicht meine Angelegenheit: Ich bin Auftragnehmer der Stadt Wien – und habe diese ziemlich schwierige Rückstellung vorzunehmen."

Also zurück zum Auftraggeber. Kurt Scholz gibt sich indigniert: "Diese Dame verspürt eine Bitterkeit, die ich verstehen kann. Aber sie kann eben nur ein Drittel der Fläche zurückbekommen." Immerhin: Die Stadt zahlt "weiterhin die Wartung"! Was sie nicht mehr müsste, wenn Frau Weinberger endlich den Kontrakt unterschrieben hätte. Aber auch Scholz versteht, "dass sie nicht die Verantwortung für das Grundstück übernehmen will". Daher: "Das ist der klassische Fall für eine großzügige Abgeltung."

Finanzielle Kompensation, das sei bereits Routine geworden: Gut 30 Fälle habe man, so Scholz, mit Geld – "durchaus auch in Millionenhöhe" – erledigt. Was Restitutionen oder Kompensationszahlungen anlangt, könne man eine "anständige Bilanz" vorweisen, aber sie sei durch diesen einen Fall belastet. "Und dieser Fall belastet auch mich."

Exemplarischer Fall

Dieser Fall ist eben nicht irgendeiner, sondern ein exemplarischer: Hannah M. Lessing, Generalsekretärin des Nationalfonds, hat ihn zusammen mit ihren Kolleginnen Renate S. Meissner und Nina Bjalek als solchen beschrieben (im Band Ausgeschlossen und entrechtet, herausgegeben von Verena Pawlowsky und Harald Wendelin, Mandelbaum Verlag 2006).

Rosa Weinberger, die sich von der Stadt zusehends unter Druck gesetzt fühlte, kontaktierte schließlich eine ehemalige Mitarbeiterin des Nationalfonds, die sie in Sydney kennengelernt hatte. Und Marianne Schulze, nun freiberufliche Menschenrechtskonsulentin, nahm sich der Sache an: "Rosa Weinberger möchte aus Prinzip das Grundstück zurück, aber unter Bedingungen, die dem Zustand 1938 möglichst angenähert sind." Laut Entschädigungsfondsgesetz könne auch ein vergleichbares Grundstück – Bauland in künftiger U­Bahn­ Nähe – restituiert werden. Ähnliches ist auch im Falle des Sportvereins Hakoah passiert.

Doch Scholz tut erstaunt: "Das habe ich bis jetzt noch nicht so deutlich gehört. Man muss dem nachgehen! Es muss eine Lösung gefunden werden!" Das sagte er am Donnerstag. Marianne Schulze beteuert aber, sowohl Scholz als auch die Magistratsdirektion bereits im Juni darauf aufmerksam gemacht zu haben.

Seither sind vier Monate vergangen. Und nichts hat sich getan. Nur der Gesundheitszustand von Rosa Weinberger hat sich verschlimmert. Derzeit kann sie die Anrufe in nämlicher Sache nicht entgegennehmen, die ihr Sohn Georg mit den Worten "Mum, es geht um das Grundstück mit dem garbage" ankündigt ...

Himmelteich und Höllenqual

http://derstandard.at/1233587081416/Himmelteich-und-Hoellenqual

Rosa Weinberger beantragte die Rückgabe von Baugrund, den ihr Vater 1936 erworben hatte ­ doch es passierte nichts

Von THOMAS TRENKLER

Rosa Weinberger, am 24. Juni 1906 in Wien geboren, floh 1939 über Neapel, Nizza und Marseille nach Schanghai. Australien wurde ihre neue Heimat. Am 27. Oktober 2002 beantragte sie die Rückgabe von 14.612 Quadratmetern "Baugrund" in "Obere Lehen, Aspern", die ihr Vater 1936 erworben hatte.

Drei Jahre später, am 20. September 2005, empfahl die Schiedsinstanz des Allgemeinen Entschädigungsfonds eine Naturalrestitution. Allerdings nur für 5614 Quadratmeter. Denn auf 89 Quadratmetern war die Niklas­Eslarn­Straße errichtet worden. Zudem hatte die Stadt Wien 8909 Quadratmeter an Gerda und Max Hauser verkauft. Und diese Flächen können eben nicht rückgestellt werden.

Die betagte Dame, damals knapp 100 Jahre alt, verstand die Welt nicht mehr. Sie weigerte sich, die Vereinbarung zu unterschreiben. Aus zwei Gründen: Sie sollte nur ein Drittel der Fläche, die ihr Vater in der NS­Zeit verloren hatte, zurückerhalten. Und dieses Drittel ist nicht mehr wertvolles Bauland, sondern ländliches Gebiet mit dem Himmelteich, den die Stadt Wien unter Naturschutz gestellt hat. Das Grundstück ist also eher wertlos, mithin unverkäuflich ­ und verursacht nur Instandhaltungskosten.

Wiedergutmachung

Rosa Weinberger plädierte, ihr als Wiedergutmachung eben ein anderes Grundstück zurückzugeben. Und Kurt Scholz, der Restitutionsbeauftragte der Stadt Wien, versicherte, sich für eine einvernehmliche Lösung zu verwenden.

Doch es passierte nichts. Scholz ging im Sommer 2008 in Pension. Ein Nachfolger wurde nicht bestellt. Denn, so Magistratssprecher Rudolf Gerlich: "Die Funktion war auf Scholz zugeschnitten." Die Aufgaben seien von der Rechtsabteilung übernommen worden, einen Ansprechpartner gäbe es dort aber nicht. Er, Gerlich, sei die Auskunftsperson. Und weil es sich um ein "laufendes Verfahren" handle, könne er keine Auskünfte geben. Man gedenke nach wie vor, die Empfehlung umzusetzen. Die Stadt sei auch bereit, einer finanziellen Abgeltung nahezutreten. Ob und, wenn ja, wann ein Angebot in welcher Höhe unterbreitet wurde, wollte Gerlich nicht sagen.

Rosa Weinberger war Ende 2007 gestorben ­ wenige Wochen, nachdem der Standard über den Fall berichtet hatte. Mittlerweile ist auch ihr einziger Sohn George, geboren 1936 in Wien, tot: Er starb am 14. November 2008. Ein Angebot der Stadt soll nie eingelangt sein. Zuletzt hatte er nur ein Schreiben des allgemeinen Entschädigungsfonds wegen der 8909 Quadratmeter erhalten, die nicht restituiert werden können. Man bot ihm eine Entschädigung in der Höhe von nur 35.019 Euro an, also 3,93 Dollar pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Für die 89 Quadratmeter Straße, die ebenfalls nicht zurückgegeben werden können, wurde ein Verkehrswert von 16.910 Euro errechnet (190 Euro pro Quadratmeter).

Hannah Lessing vom Entschädigungsfonds bedauert: "Das sind leider nur Peanuts. Unser Fonds ist eben mit 210 Millionen Dollar ­ für alle Anträge ­ gedeckelt."

Der NS-Vermögensentzug

Quelle:
Band 20-2 der Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich.- Hrsg. von Jabloner, Clemens / Bailer-Galanda, Brigitte / Blimlinger, Eva / Graf, Georg / Knight, Robert / Mikoletzky, Lorenz / Perz, Bertrand / Sandgruber, Roman / Stuhlpfarrer, Karl / Teichova, Alice.- Wien-München 2003

Buchtipp:

Die Aktion Gildemeester

Theodor Venus, Alexandra-Eileen Wenck: Die Entziehung jüdischen Vermögens im Rahmen der Aktion Gildemeester: eine empirische Studie über Organisation, Form und Wandel von "Arisierung" und jüdischer Auswanderung in Österreich 1938-1941.- Oldenbourg 2004, 758 Seiten

Die vorliegende Publikation erörtert erstmals die Rolle und Funktion der so genannten "Aktion Gildemeester", benannt nach dem Niederländer Frank van Gheel-Gildemeester. Ihr Charakter, die Akteure, die Ergebnisse und ihre Bewertung bilden ein wichtiges Kapitel im Gesamtzusammenhang der Verfolgung und Enteignung der österreichischen Juden und Jüdinnen nach dem 12. März 1938. Obwohl sie besonders im Lauf der letzten Jahre immer wieder zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung gemacht wurde, scheint es uns, als ob ihre Bewertung noch keine abschließende Antwort erfahren hätte. Ebenso wie die "Zentralstelle für jüdische Auswanderung" als eine Instanz, deren Aufgabe zunächst die Vertreibung, schon bald darauf aber die Vernichtung österreichischer Juden war hat auch die "Aktion Gildemeester" ein "Janusgesicht". Diese Doppelbödigkeit, die ihr zukommt, hat die wissenschaftliche Auseinandersetzung bisher geprägt und erschwert.

In dieser stand zumeist einer der beiden Aspekte im Vordergrund: Mal war es der Aspekt der Vertreibung - als Vorstufe der Vernichtung -, mal der einer "Hilfsaktion", die gefährdeten jüdischen Bürgern, die auf der Suche nach einem sicheren Hafen waren, ihre Unterstützung lieh. Ausgehend von der Dokumentation des ursprünglich vorhandenen Vermögens der Juden und Jüdinnen, von dem aus die Finanzierung der "Aktion Gildemeester" erfolgte, wurde in der vorliegenden Publikation der Vermögensentzug erfasst. Die empirische Dokumentation des Vermögens der Personen, die den Gildemeester-Fonds gespeist haben, von den Angaben über die Höhe und Zusammensetzung dieser Vermögen im Einzelfall bis zur Frage, wie viel von dem entzogenen Vermögen nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder zurückgestellt wurde, bilden den Hauptteil der Arbeit.

Die wesentlichen Ergebnisse des im Einzelfall oft schwer nachvollziehbaren Vermögensentzugs in den einzelnen Vermögenskategorien wurden in zahlreichen Tabellen zusammengefasst. Stärker noch als die Israelitische Kultusgemeinde war die "Aktion Gildemeester" durch ihre Doppelkonstruktion Agentur des Vermögensentzugs und auch der Auswanderung mit dem NS-Regime verbunden. Aus der Auswanderung ein "Geschäft" gemacht zu haben, lag in der Treuhandkonstruktion angelegt. Gleichzeitig konnten die damit beauftragten Verantwortlichen nach dem Ende des NS-Staates stets darauf verweisen, eben dadurch zur Rettung vieler Juden beigetragen zu haben. Dieser Hinweis rettete sie letztlich auch vor der Strafverfolgung.

 

Rosa Weinberger